Auf Anregung von Papst Franziskus befindet sich die Katholische Kirche seit Oktober 2021 weltweit in einem sogenannten synodalen Prozess, um gemeinsam mit den Gläubigen (jeden Standes) über die Zukunft der Kirche zu sprechen.
Auf diözesaner Ebene hatte Bischof Joseph Maria Bonnemain das Forschungsinstitut gfs.bern beauftragt, dem Bistum Chur in seinem Prozess wissenschaftlich zur Seite zu stehen. Das Institut sollte die Meinungen und Wünsche der Gläubigen über eine Erhebungsplattform (Fragebogen) sammeln und festhalten und die darin eingegebenen Antworten auswerten und verdichten. Die Resultate der Gruppengespräche (1472 Teilnehmer in 216 Diskussionsgruppen) wurden im Januar 2022 durch gfs.bern veröffentlicht, anschliessend auf Bistumsebene in Räten, Gremien, Kommissionen diskutiert und im März 2022 zu einem Schlussbericht an die Schweizer Bischofskonferenz weitergeleitet.
Zusammenfassung Schlussbericht Bistum Chur
Die Dialoggruppen zeigen ein hohes Bewusstsein für die Voraussetzungen eines guten Dialogs. Sie wünschen sich einen innerkirchlichen Austausch, bei dem unterschiedliche Meinungen zunächst offen wahrgenommen und echten Anliegen geäussert werden können. (TF6 Dialog)
Nicht gehört fühlen sich Menschen im Bistum Chur vor allem dann, wenn sie etwas fordern oder leben, was nicht der kirchlichen ‹Norm› oder dem Stil des Pfarrers/ Seelsorgeteams usw. entspricht. (TF2 Zuhören)
Die meisten Gläubigen im Bistum Chur sehen in der katholischen Sexualmoral, aber auch im Mangel an Partizipationsmöglichkeiten und in der «kirchlichen Sprache» wesentliche Faktoren, die zu Ausschliessung und Ausgrenzung von Menschen führen.
Es gibt allerdings eine nicht zu vernachlässigende Minderheit von Gläubigen, die sich aufgrund ihrer traditionellen Glaubenshaltung nicht mehr in der Kirche beheimatet fühlt. Sie betrachten sich als nicht geschätzt, als ausgegrenzt, weil sie nach ihrer Ansicht ganz treu im Glauben der katholischen Kirche leben wollen. (TF1 Weggefährten)
Hinderlich für das gemeinsame Feiern der Gottesdienste ist es nach Ansicht der Befragten, wenn Mitfeiernde nur als «Gottesdienstbesucher» angesehen werden. Gottesdienstliche Feiern seien zudem oft auf die regelmässig Mitfeiernden ausgerichtet und blieben dann fremd für andere, die seltener an den Feiern teilnehmen. Gottesdienste müssten mehr als dies bislang geschieht, auf die konkreten Menschen ausgerichtet sein. (TF4 Feiern)
Gewünscht werden Lern- und Erfahrungsorte des Glaubens. Es brauche Räume, in denen fundiertes Wissen zum Glauben und Leben der Kirche vermittelt und dieses sich angeeignet werden kann. Wichtig für die Glaubensbildung seien aber auch Begegnungen und Erfahrungen mit authentischen Personen, die ihren Glauben überzeugend leben.
In Bezug auf die Sendung der Gläubigen heisst es, die Kirche solle noch mehr zu einem Ort werden, wo unterschiedliche Charismen und Berufungen entdeckt, gefördert und gelebt werden können. Ein wichtiges Zeichen der Wahrnehmung und Wertschätzung seien Beauftragungen (auch von Laien) zu einem Dienst in der Kirche. (TF5 Sendung)
Als Grundtenor durch sämtliche Antworten der Befragten zieht sich ein Wunsch danach, dass alle Glieder der Kirche Anteil erhalten an den Beratungs- und Entscheidungsprozessen (TF2 Zuhören), vor allen Dingen dort, wo sie direkt von den Entscheidungen mit betroffen sind. (TF8 Dialog)
Weiteres Vorgehen
Im Herbst 2022 erfolgt durch die Schweizer Bischofskonferenz eine Zusammenschau der Berichte aller Schweizer Bistümer und eine entsprechende Eingabe an das Generalsekretariat der Synode in Rom.
Von September 2022 bis März 2023 sollen in Rom die Gespräche zunächst auf Kontinentalebene weitergeführt werden. Schliesslich erarbeiten die Kontinental-Synoden jeweils ein Dokument, das dann die Ausgangslage bilden wird für die Diskussion auf weltkirchlicher Ebene – bei der eigentlichen Synode in Rom im Oktober 2023.
(Zusammenfassung von Markus Grüsser. Die offiziellen Dokumente und Berichte in voller Länge finden Sie unter: https://www.wir-sind-ohr.ch/downloads)